Meine zwölfte Woche: 30.09.2019 - 06.10.2019

Schlaflos

Zwölf Wochen, drei Monate. Die längste Zeit, die ich jemals ununterbrochen nicht Zuhause war. Teilweise fühlt es sich länger, aber teilweise auch viel kürzer an. So langsam freue ich mich schon richtig auf Zuhause, es ist das gute Heimweh, das sich bei mir breit macht. Die Vorfreude meine Familie und meine Freunde wiederzusehen. Aber gleichzeitig bin ich auch etwas unter Druck gesetzt, weil alle meine alten Klassenkameraden nun in die Uni gehen und ich... naja, ich bin noch ziemlich am entspannen. Und Uni ist auch ein gutes Stichwort, aber dazu komme ich gleich.

Diese Woche war wie jede andere und ich glaube, da wird sich nicht mehr viel dran ändern, deswegen hebe ich einfach die signifikantesten Momente heraus. Das, was mir am meisten auffällt ist, dass die Wochen mit der neuen Familie nur so dahinfliegen. Gerade ist es noch Montag, dann blinzle ich einmal und schon ist es Freitag! Einerseits liebe ich es, andererseits ist es beängstigend, weil ich so viel wie möglich machen möchte.

Ich habe unfassbar viel Spaß daran, die Kinder immer besser kennenzulernen. Mittlerweile weiß ich, wann ich mir bei Tränen Sorgen machen muss und wann es einfach nur ein überwältigender Moment ist und die Kinder nicht mit ihren Gefühlen umgehen können. Wenn einer der beiden hinfällt, bekomme ich immer einen kleinen Herzinfarkt, aber sonst bin ich eigentlich ganz entspannt. Die Schaukeln sind immer noch ein Highlight und außerdem konnte ich die Kinder dazu überreden mit mir Drachen und Boote aus Recycling (Milchkanister, Stöcke, etc.) zu basteln. Mittwoch überredeten sie mich dazu Flapjacks zu backen, was für mich ein ziemlich unangenehmer Moment war, denn noch nie zuvor in meinem Leben habe ich davon gehört! Naja, am Ende sahen sie komplett anders aus als die Familie gewohnt ist, aber gegessen wurden sie trotzdem reichlich! Ich muss sagen, dass mich eigentlich fast nichts wirklich nervt oder stresst, außer dass die Kinder, vor allem der Junge, unfassbar darauf besessen sind zu gewinnen! Es wird geschummelt, geschrien und gekämpft. Unfassbar anstrengend, aber ich habe mir vorgenommen, die beiden ein winziges bisschen zu triezen, damit sie lernen mit Niederlagen umzugehen.

Zwei Aussagen von der Kleinen waren diese Woche besonders süß und haben mir das kalte Herz erwärmt. Der Große fragte mich, wie Würste gemacht werden und dann habe ich grob erklärt, wie der Prozess abläuf. Daraufhin meinte sie: „Well, if everyone in the world stopped eating meat then no animal has to die ever again. Why don't we all stop? I am not eating meat at the moment!“ Ich glaube, wenn jeder so simpel denken würde wie sie, dann wäre die Welt ein besserer Ort.
Und das andere Mal war einfach... so süß. So süß, dass ich das Gespräch einfach so aufschreiben werde, wie es ungefähr abgelaufen ist.
L: „Do you remember the day you visited us the first time?“
C: „Yes, I do, why?“
L: „I was all over you!“
C: „You were! And do you still like me to this day?“
L: „Yes! Wait, ask me again.“
C: „Okay, do you still like me?“
L: „No... I love you!“
   Ich glaube, mehr muss ich gar nicht sagen. Ich habe die Kinder ganz fest in mein Herz geschlossen und weiß jetzt schon, dass mein restliches Jahr mit ihnen schön werden wird.

Das Wochenende, oh, das Wochenende. Ich habe das Gefühl, dass ich kaum Schlaf bekommen habe und wahrscheinlich ist das nicht mal ganz gelogen. Freitag Pub und Drinks mit Klara (einziges Au-Pair in meiner Umgebung), Samstag London South Bank University Open Day, Southbank Center, Streetfood Market mit meinen Freunden und abends ein Date, von welchem ich viel zu spät nach Hause gekommen war dafür, dass ich am nächsten Tag um 6 Uhr aufstehen musste, um bei einem bereits bezahltem Trip nach Dover mitzumachen.

Hier kommen wir also auf meinen Anfang zurück, die Universität. Ich möchte unfassbar gerne in England studieren, also habe ich am Samstag meine erste englische Uni besucht. Ich will ja nichts sagen, aber... Deutschland ist um einiges günstiger und praktischer. Trotzdem werde ich mich weiter erkundigen und es hoffentlich schaffen, mich für Stipendien zu bewerben und anschließend für Universitäten. Meine Fachrichtung auszusuchen lässt mich momentan aber sehr verzweifeln, denn irgendwie sind meine Pläne alle über den Haufen geworfen. Vor drei Monaten wollte ich noch etwas in Richtung Medizin machen, jetzt bin ich bei English and Creative Writing. Naja, machste nichts. Ich werde mich weiter erkundigen und euch auf dem Laufenden halten.

Sonntag war dann der Tag, an dem ich mein Limit erreicht hatte. Um 6 Uhr aufstehen, um 8:30 Uhr ab nach Dover, von 11:00 bis 19:00 Uhr laufen. Rauf und runter durch alle Jahreszeiten. Wirklich wunderbare Aussichten, eine tolle Gruppe, ein sehr netter Tourführer. Gleich am Anfang versaute ich mir mit einem Egg Bap mein Oberteil, stolperte weniger als erwartet, wir liefen am Rand einer Klippe hinab, standen direkt am Wasser, sahen Dover Castle, hörten zwischendurch interessante Geschichten, liefen durch einen komplett schwarzen Tunnel und wir hatten ein Pärchen dabei, das irgendwie nur am sitzen war (keine Ahnung wie die sich fortbewegt haben, ich sah die immer nur sitzend). Manchmal war es unfassbar heiß und dann wieder brutal kalt und am regnen. Zum Ende hin war ich komplett durch. Ein Mädchen, das ich dort kennenlernte und mit dem ich meine Zeit verbrachte, und ich waren gemeinsam am sterben und lachen und beinah weinen, aber egal, wie anstrengend es war, es hat sich auf jeden Fall gelohnt. Ich bereue keinen Schritt und bin froh, dass ich trotzdem mitgefahren bin. Es war eine tolle neue Erfahrung und ein Tag, den ich nicht missen möchte.

Ansonsten war es das auch schon fast für diese Woche! Unter der Woche sah ich Blythe Hill Fields, lief erneut nach Greenwich und las eine Menge Bücher. Telefonierte mit meiner Familie und versuchte irgendwann und irgendwie Sport zu machen und gleichzeitig genug zu schlafen. Nächste Woche hat Megan Geburtstag und danach die Woche werde ich endlich 20 Jahre alt! Bis dann also und habt eine schöne Woche!

Eure Chantii 💗